Bürgerkrieg in Europa? Konfliktforscher sieht "idealtypische" Voraussetzungen
Die Vorstellung von Bürgerkrieg und Westeuropa scheint unvereinbar. Doch der britische Konfliktforscher David Betz warnt: Die Voraussetzungen für Bürgerkriege in Westeuropa sind fast vollständig erfüllt. In einem Interview mit der Berliner Zeitung erläutert der Professor am Londoner King’s College, warum er diese Gefahr als real einschätzt.
Tiefe gesellschaftliche Spaltung als Nährboden
Betz sieht eine tiefe gesellschaftliche Spaltung, den beschleunigten Statusverlust der einst dominanten Mehrheitsbevölkerung und einen dramatischen Vertrauensverlust in Institutionen als zentrale Faktoren. Diese Entwicklung sei in der Fachliteratur als "idealtypisch" für Bürgerkriege beschrieben.
Früher wurden politische Debatten an Sachfragen festgemacht, heute dominierten Identitätsfragen und moralische Empörung. Diese Verschiebung führe zu einer zunehmenden Polarisierung und erschwere konstruktive Lösungsansätze.
Wirtschaftliche Probleme verschärfen die Situation
Auch wenn Westeuropa nicht von extremer Armut betroffen ist, spielen wirtschaftliche Probleme eine Rolle. Die Kluft zwischen den Erwartungen der Menschen und dem, was sie tatsächlich erhalten, wächst. Dies betrifft nicht nur materielle Aspekte, sondern auch das Gefühl von Sicherheit und Glück.
Die Rolle der Eliten
Ein Bollwerk gegen Bürgerkriege wäre laut Betz die Existenz einer kompetenten und vertrauenswürdigen Elite. Doch das Vertrauen in politische, wirtschaftliche und mediale Eliten schwindet. Dies untergräbt die Stabilität der Gesellschaft und macht sie anfälliger für Konflikte.
Wie können Bürgerkriege verhindert werden?
Betz betont, dass es wichtig ist, die Ursachen der gesellschaftlichen Spaltung zu erkennen und anzugehen. Dazu gehört, das Vertrauen in Institutionen wiederherzustellen, einen konstruktiven Dialog zu fördern und die wirtschaftlichen Perspektiven zu verbessern. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Gefahr eines Bürgerkriegs in Westeuropa abzuwenden, bleibt jedoch fraglich.
- Tiefe gesellschaftliche Spaltung
- Vertrauensverlust in Institutionen
- Wirtschaftliche Unsicherheit